Keine Sorge (oder je nachdem: freut euch nicht zu früh), ich trete nicht so bald aus der Piratenpartei aus. Viele andere werden sich aber nach dem kommenden Bundesparteitag in Chemnitz darüber Gedanken machen, ob sie weiter in der Partei bleiben wollen oder nicht. Manche werden enttäuscht sein, weil von ihnen gewünschte Punkte oder Positionen es nicht ins Programm geschafft haben, andere werden sich mit beschlossenen Punkten konfrontiert sehen, hinter denen sie nicht voll oder gar nicht stehen können oder die ihrer eigenen politischen Meinung sogar 100% widersprechen. Manche (die sich als „Kernies“ verstehen) werden vielleicht schon allein deswegen über einen Austritt nachdenken, weil neue Politikfelder überhaupt angegangen werden.
Ich möchte an dieser Stelle ein paar Gedankengänge niederschreiben, die jeder Pirat berücksichtigen sollte, wenn er über einen Austritt nachdenkt. Der Grundtenor dabei ist folgender: Die Piratenpartei ist eine Partei; und daraus folgen mehrere Dinge.
Meinungsvielfalt
Die Piratenpartei ist eine Partei und kein reiner Interessensverband. Als Partei ist sie Teil des politischen Willensbildungsprozesses in der Bundesrepublik. Das bedeutet auch, dass es innerhalb der Partei verschiedene Meinungen zu verschiedenen Themen geben kann und sogar muss!
Bisher gab es bei den Kernthemen oberflächlich relativ wenige Meinungsverschiedenheiten. Das liegt zum einen daran, dass wir uns als Piraten ja wegen gemeinsamer Positionen bei den Kernthemen zusammengefunden haben, zum anderen aber auch daran, dass viele der Kernthemen immer nur allgemein und selten im Detail diskutiert werden. Sobald man anfängt, auch die kernigsten Kernthemen im Detail zu diskutieren, zeigen sich sehr schnell unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen bei den Piraten.
Dieser Effekt wird stärker, wenn wir uns mehr mit Details beschäftigen müssen und natürlich sehr viel stärker, wenn wir uns zusätzlich neuen Themengebieten widmen. Die Vorstellung, die einige vielleicht noch haben, dass alle Piraten notwendigerweise gleich denken, ist nicht haltbar. Und das ist auch gut so. Demokratie lebt vom freien Austausch von Meinungen und Argumenten. Demokratie lebt davon, dass Menschen unterschiedliche Ansichten haben und vertreten. Als Partei muss und will die Piratenpartei auch intern demokratisch organisiert sein. Dass es dann innerhalb der Partei unterschiedliche Meinungen gibt ist kein Fehler, sondern sogar wünschenswert.
Daraus folgt dann natürlich auch, dass kein Pirat alle Programmpunkte und Forderungen der Piratenpartei selbst vertreten muss. Es ist kein Problem, wenn ein Pirat (auch öffentlich) eine von der beschlossenen Parteimeinung abweichende Ansicht vertritt und auch versucht, diese innerhalb und außerhalb der Partei zu bewerben.
So wie Einzelpersonen gerne unterschiedliche Meinungen vertreten dürfen, werden sich innerhalb der Partei auch Gruppen mit gleichen Interessen und Meinungen finden. Auch unterschiedliche Gliederungen, z.B. unterschiedliche Landesverbände und Kreisverbände, setzen unterschiedliche politische Schwerpunkte und tendieren in unterschiedliche Richtungen.
Wenn du also mit der Entwicklung im Bund nicht zufrieden bist, vielleicht liegt dir die Stimmung deines Landesverbandes eher, oder die Stimmung in deinem Kreisverband oder an deinem Stammtisch oder in deiner Crew oder AG. Oder umgekehrt, wenn dich die Leute an deinem Stammtisch nur nerven, vielleicht findest du im Bund Leute, die mit dir auf gleicher Wellenlänge liegen.
Vollprogramm
Die Piratenpartei ist eine Partei, und als Partei muss sie Positionen zu allen gesellschaftlichen Fragen entwickeln. Wir treten an, um letztendlich in Parlamente gewählt zu werden und dort für unsere politischen Ziele einzutreten.
Es gibt innerhalb der Partei die Argumentation, das sei gar nicht so, es reiche aus, schon alleine anzutreten und einige Prozente bei Wahlen zu kassieren, so dass Mitbewerber unsere Themen aufgreifen und für uns umsetzen. Diese Strategie hat sich als Fehlschlag erwiesen. Nach dem guten Ergebnis der Bundestagswahl haben andere Parteien in der Tat einige Piratenthemen aufgegriffen und öffentlich wirksam bearbeitet. Das Zugangserschwernisgesetz wurde ausgesetzt, aber nur vorläufig. Im Hintergrund wird daran gearbeitet, es über den Umweg der EU wieder einzuführen. Die Vorratsdatenspeicherung wurde vorerst vom Bundesverfassungsgericht gestoppt, kann aber jederzeit wieder in leicht entschärfter Form zurückkommen.
Tatsächliche Erfolge sind also nur kurzfristig. Das wichtigste Ergebnis besteht darin, dass andere Parteien (wie CSU und Grüne) nun breitenwirksam vermeintliche Piratenthemen aufgreifen und groß beackern, obwohl diese eigentlich unbedeutend sind. Als prominentestes Beispiel kann man hier natürlich die Debatte um Google Streetview anführen. Auch die Positionierung der Grünen gegen eine Verschärfung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages stellt sich als Täuschungsmanöver heraus: Überall dort, wo Grüne mitregieren, stimmen sie dafür.
Ergebnis: Wollen die Piraten tatsächlich Piratenpolitik umgesetzt sehen, müssen sie in die Parlamente, um selbst mitbestimmen zu können.
Um nun in Parlamente gewählt zu werden, genügen die Kernthemen aber nicht mehr aus. Man braucht ein breiter aufgestelltes Programm, um breitere Wählerschichten ansprechen zu können. Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Ich sage damit nicht, man solle Themen belegen, mit denen man möglichst viele Wähler „fangen“ kann. Die Partei muss die Positionen zu Themen finden, hinter denen die meisten Piraten stehen und die am besten zum piratigen Weltbild passen.
Dazu kommt, dass man als Abgeordneter in einem Parlament zu allen Fragen Stellung nehmen muss. Man hat eine gewisse Verantwortung, sich mit allen Themen zu beschäftigen und seine Stimme im Sinne seiner Wähler einzusetzen. Man sollte als Abgeordneter diese Verantwortung nicht abgeben und sich bei Abstimmungen enthalten. Ich würde auch als Wähler meine Stimme nur ungern einer Partei geben, wenn diese dann nur in wenigen Fragen auch abstimmt und meine Stimme ansonsten „verschwendet“.
Ich denke, viele Wähler können es eher tolerieren, wenn sie wissen, dass sie mit einer Partei in einigen Punkten nicht vollständig übereinstimmen, ein bekanntes Risiko also, als das völlig unbekannte und damit unendlich hohe Risiko einzugehen, dass die Partei etwas völlig unerwartetes tut.
Dieser Zustand, dass eine Partei immer ein komplettes Paket an politischen Forderungen vertreten muss, ist kein idealer Zustand. Das Ostrogorski-Paradox verdeutlicht, wo die Probleme liegen. Die Idee der Liquid Democracy zeigt mit themenspezifischen Delegationen einen Weg auf, diese Probleme zu umgehen. Die Piratenpartei sollte die Idee der Liquid Democracy aufgreifen und weiterentwickeln, um dann in von heute aus gesehen ferner Zukunft vielleicht tatsächlich mal ein Demokratiesystem mitzugestalten, in dem Voll-Parteien ein veraltetes Konzept sind und themenspezifische Interessensgruppen auf demokratischem Weg die Politik bestimmen. Solange dies aber noch nicht passiert ist, müssen wir als Partei mit einem breiten Programm antreten.
Hinzu kommt, dass ich als Pirat natürlich vielfältig politisch interessiert bin. Neben den Kernthemen der Piratenpartei interessieren mich eben auch viele andere Politikgebiete. Ich möchte auch in diesen meine politischen Vorstellungen umsetzen können. Und wenn ich schon in einer Partei bin, wieso sollte ich das dann dort nicht tun?
Fazit
Wenn du also darüber nachdenkst, aus der Partei auszutreten, dann tu das nicht, nur weil die Partei nun offiziell eine Forderung vertritt, die nicht deiner Meinung entspricht. Akzeptiere, dass die Piratenpartei eine Partei ist und damit jeder in der Partei damit leben muss, dass es innerhalb der Partei unterschiedliche Meinungen gibt und dass sowohl von innen als auch von außen erwartet wird, dass die Partei viele unterschiedliche politische Themen bearbeitet.
Bringe dich stattdessen politisch ein. Versuche, andere von deiner Meinung zu überzeugen. Und evaluiere auch immer wieder, ob die anderen vielleicht nicht doch recht haben. Zu einer demokratischen Partei gehört das ständige Ringen nach veränderten Positionen mit dazu.
Wenn du austrittst, dann tritt also nur aus, weil du entweder erkennst, dass du gar nicht in einer Partei sein willst (Es gibt andere Möglichkeiten, außerhalb von Parteien politisch aktiv zu sein) oder falls du erkennst, dass eine andere Partei wirklich sehr viel stärker mit deinen eigenen Ansichten übereinstimmt als die Piratenpartei.
Spezielle Botschaft an die Baden-Württemberger
(und Piraten in anderen Landesverbänden, in denen Wahlvorbereitungen laufen)
Für euch gilt das obige natürlich. Zusätzlich stecken wir aktuell gerade in einem Landtagswahlkampf. Gerade wenn ihr in diesem Verantwortung übernommen habt, als Kandidat, als Vertrauensperson oder in einer anderen Aufgabe, macht euch zwei Dinge klar, bevor ihr nach dem Bundesparteitag wegen Entscheidungen, die dort getroffen wurden, euren Parteiaustritt oder den Rücktritt von Ämtern erklärt:
- Ihr habt mit Übernahme eures Amtes Verantwortung übernommen. Dieser Verantwortung solltet ihr euch bewusst sein. Viele Piraten, wahrscheinlich ihr selbst auch, haben seit der Bundestagswahl Stunden um Stunden harte Arbeit investiert, um einen Antritt zur Landtagswahl zu ermöglichen. Es wäre unfair, diese Arbeit wieder zunichte zu machen.
- Wie oben schon erwähnt muss eine Partei nicht mit einer einheitlichen Stimme sprechen. Jeder Landesverband kann für sich alleine stehen. Die in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erarbeiteten Landtagswahlprogramme sind z.B. nicht identisch. Es gibt viele Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen, aber in einigen Bereichen auch Unterschiede. Als Piraten in Baden-Württemberg treten wir mit dem Landtagswahlprogramm an, das wir in unserem Landesverband erarbeitet und beschlossen haben. Wir vertreten nicht notwendigerweise Forderungen, nur weil sie im Programm unserer Nachbarn im Nordwesten auftauchen. Genauso müssen wir bei unserem Landeswahlkampf nicht neue Bundespositionen vertreten.
Ok der Artikel ist inhaltlich keine Überraschung (hat also “das eckes seal of aproval” :). Aber ich möchte den Punkt mit den Kerni Diskussionen noch ergänzen um ein paar Beispiele:
– SteuerdatenCD (Datenschutz vs. Steuergerechtigkeit)
– Google Streetview (Panoramafreiheit vs. – “Datenschutz”)
– INDECT (Forschungsfreiheit vs. Überwachung)
– Facebook
– Flattr (Urheberrecht)
– Open Source Lizenzen (Urheberrecht)
– Rundmails vs. Datenschutz (ja ich hatte nen Austritt weil ich in einer Mail schrieb ich kann seine E-Mail addresse nicht ohne seine Einwilligung an den Stammtisch weitergeben).
– etc pp.
Gruß
Bernd
Hi,
finde es super, dass das nochmal für alle verständlich dargestellt wird, auch wenn ich das für selbstverständlich hielt (ich habe immer gar nicht verstanden, worüber sich alle so aufregen^^). Deshalb bin ich ja einer Partei beigetreten.
mfg Xaleander
Wenn man in eine Partei eintritt, dann doch nur deswegen weil sie die eigenen Meinung am besten vertritt.
Wenn die Partei sich wandelt und die Themen vom eigenen Interesse stark abweichen, (wobei die ursprünglichen Themen nur Steifmütterlich behandelt werden)ist es doch nur die logische Konsequenz auszutreten.
Alles andere wäre Selbstfolter.
Breiteres Programm: ja
Vollprogramm: nein
Ich denke nicht, dass man als Partei Positionen zu wirklich allen Themen entwickeln muss. Komplett alle geht wahrscheinlich noch nichteinmal, weil das ja auch permanent im Fluss ist.
Ich bin ja immernoch ein Fan davon nur zu Themen Positionen zu entwickeln, von denen bei uns wenigstens ein paar Leute ein bischen was verstehen (und komme mir damit manchmal ein wenig altmodisch vor hier…). Was bringt es uns, wenn wir zu Thema x irgendeinen Mist verabschieden? Nur um dann sagen zu können “Hallo liebe Wähler. Unsere Position im Thema x ist folgender Mist: …”?
Ich halte das für keine gute Idee.
Eine gute Idee wäre es in mehr und mehr Themen kompetenz aufzubauen. Die Themen wirklich in der Tiefe zu analysieren und mit den schlauen Geistern, die unzweifelhaft zumindest in einer gewissen Anzahl vorhanden sind hier, mit der Zeit schlaue Positionen zu erarbeiten. Aber das geht nicht von jetzt auf gleich. Das dauert und es wird bei manchen Themen vielleicht auch noch über viele Jahre nichts werden, einfach weil keiner von uns wirklich Ahnung davon hat.
In der Konsequenz heißt das natürlich, dass wir zu Wahlen antreten werden ohne zu jedem Punkt etwas sagen zu können (außer vielleicht der Privatmeinung von dem, der gefragt wird). Ich finde das nicht schlimm, oder zumindest nicht schlimmer als irgendeinen Mist zu vertreten. Manche Wähler wird das sicher abschrecken, aber ehrlichgesagt sehe ich unser Klientel eher bei den Leuten, die so eine Haltung verstehen können und sie dem üblichen Blenden und Hochstapeln in der Politik vorziehen.
Im Falle des Falls, dass jemand von uns ohne Vollprogramm im Rücken in ein Parlament einzieht, kann man schon eine Regelung finden. Sich immer zu enthalten, ist nicht die einzige Möglichkeit. Man könnte auch sagen bei unbesetzten Themen entscheidet jeder Abgeordnete einzeln nach bestem Wissen und Gewissen, oder man hält sich i.d.R. an den Koalitionspartner, oder was auch immer. Was genau man tut ist gar nicht so wichtig, wichtiger ist, dass man es vor der Wahl klar kommuniziert und die Wähler wissen was sie bekommen und halt auch was nicht.
Mal abgesehen davon kann ich dir aber überwiegend zustimmen. 🙂
Ich stimme völlig mit dir überein; solange wir in der BRD noch keine Liquid Democracy haben, müssen wir uns strukturell so weit wie nötig damit arrangieren, was ein Vollprogramm einschließt, und dann für LiqDem eintreten.
@Tacheles
Wenn die dir wichtigsten Themen zu wenig Beachtung finden, dann ändere das, indem du sie anpackst! 🙂
Es ist nun mal leider ein unvermeidbarer Teil von Politik, dass auch das Agendasetting dazugehört. Wenn du möchtest, dass man über ein Thema redet, dann sorge dafür, dass man über das Thema redet:
Schreibe Artikel dazu, starte Aktionen, etc
@SD
“Vollprogramm” ist nur die reißerische Überschrift. 😉 So “voll” ist das auch nicht gemeint.
Was das Ausarbeiten von Themen angeht, stimme ich dir nicht zu. Meinem Verständnis nach bedeutet Politik vor allem, die grobe Richtung vorzugeben und die gemeinsamen Werte zu verhandeln.
Für Praxisumsetzung sind dann Verwaltung, usw da. Man braucht ja erst einmal die notwendigen Ressourcen, um eine kompetente Ausarbeitung eines Themengebietes durchzuführen. Solange man noch nicht im Parlament sitzt und dessen Ressourcen nutzen kann und solange andere Gruppen nicht mit einem verhandeln, weil man nicht ernst genommen wird und solange man keine Personen hat, die sich auch Vollzeit mit Politik beschäftigen können, _können_ wir Themen gar nicht so detailliert ausarbeiten.
Nunja, bei Diskussionen und Positionen gibt es ja auch noch ein paar Graustufen zwischen total oberflächlich und bis ins letzte detailliert. 😉
Wenn ich da z.B. an die Zensursula-Debatte denke: Das war wunderbar detailliert und wir (zusammen mit anderen) haben die Politik damit hart gepwnt.
Hach, früher war alles besser… *schwelg*
Apropos Agendasetting: wer das noch machen will kann das auf dem Nordbadentreffen. Bisher hat mich erst ein Pirat aktiv auf ein Vortrag angesprochen alle andere (externen) muss ich hart beknien. Hat denn keiner was zu sagen?!
Gruss
Bernd
http://piraten.in/nk10ka
PS: ich kann euch versprechen die TO wird spannend, abwechslungsreicht und so weit es geht orgafrei… bitte Eintragen. Termin: Diesen Samtag in Karlsruhe
Sorry, @Bernd, muss am Samstag gepflegt grillen gehen. Äh, Unterstützerunterschriften sammeln 😉
@NineBerry
Was meinst du wohl was ich mache.
Leider werden die Mitstreiter immer weniger. Und von denen die noch übrig sind ist die Luft mitlerweile auch raus.
Ist natürlich sehr erbauend wenn dann in volleifer sich auf neue Themen gestürzt wird anstatt die alten ersteinmal abzuarbeiten.
Ja ich weis, alles ist in Fluss blabla. Man muss auch Kompromisse finden und konsenzfähig sein, blablabla.
Fakt ist, bewegt sich die Richtung der Partei zu weit von einen weg, hat es keinen Zweck an dieser Stelle weiterzugehen.
Denke mal das sich dieses Jahr noch alles zeigen wird.
Das ist sehr gut geschildert, @NineBerry, es erfordert allerdings auch ein gewisses dickes Fell sowie Durchhaltevermögen und Ausdauer, die nötigen Streitereien, Umwege, Hindernisse (z.B. extrem überhöhte UU-Anforderungen für Wahlzulassungen wie bei uns in BW) und anderen Unbequemlichkeiten (z.B. zu viele GO-Anträge) abzukönnen.
Wir sind fast alle noch (ziemlich) neu im Bereich Parteiarbeit, und müssen da noch lernen. Wichtig ist allerdings, dass man sich da keine Illusionen macht, und da dürfte Dein Beitrag für einige Piraten hilfreich sein.
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Guter Post NineBerry, ich sehe die Sache ebenso und bin gespannt was uns in ca. 2 Wochen erwartet.
Sehr guter Artikel!
kleiner Kritikpunkt:
Es klingt so, als wäre flüssige Demokratie DAS mögliche Verbesserungskonzept. Ich bin jedoch der Meinung, dass Basisdemokratie besser funktionieren würde, da effektiv mehr Leute entscheiden. Wer keine Ahnung oder Interesse hat stimmt natürlich bei Thema x nicht ab, aber in der Summe werden mehr Leute selbst entscheiden (wollen), wenn es keine Machtakkumulation und auch das damit verbundene Korruptionspotenzial gibt. Denn genau das gibt es auch bei flüssiger Demokratie und erzeugt, wie man bei uns Piraten sieht (geringe Beteiligung am BundesLQFB) auch Desinteresse am selbst mitzuentscheiden.
Stimme deinem Beitrag voll zu.
Ich gebe aber noch zu bedenken, dass Änderungen im Grundsatzprogramm erst eine Zweidrittelmehrheit bei Bundesparteitagen erreichen müssen. Damit wird automatisch eine große Mehrheit in neue Themengebiete mitgenommen (wenn man vernachlässigt, dass diejenigen, die auf Parteitage gehen, nur eine Minderheit (nicht ganz 10%) sind, aber das ist nicht deren Schuld).
@LordSnow
Demokratische Meinungsbildung besteht nicht nur aus Abstimmungen. Dazu gehört vor allem auch eine intensive Diskussion des Themas. Es müssen immer die Interessen vieler betroffener Gruppen berücksichtigt werden.
Solche Verhandlungen sind basisdemokratisch gar nicht möglich.
Ich weiß, dass meine Ziele und Interessen als Bürger nicht 100% durchsetzbar sind. In Verhandlungen müssen Kompromisse gefunden werden. In einer repräsentativen Demokratie werden diese Verhandlungen von gewählten Repräsentanten geführt.
Ich möchte nun aber (wie in der flüssigen Demokratie hoffentlich möglich), dass ich diese Repräsentanten für die jeweiligen Verhandlungen genauer wählen kann. Ich möchte, dass ich in allen Verhandlungen durch Leute vertreten werden, die meinen Interessen möglichst nahe kommen. Nur wenn ich diesen vertraue, kann ich dann mit den Kompromissen leben, die aus den jeweiligen Verhandlungen herauskommen.
Delegierte Redner halte ich auch für sinnvoll, würde ich auch bei unseren Parteitagen so machen. Ich bin jedoch aus den Gründen, die ich bereits anführte, kein Freund davon Stimmrechte zu deligieren, wie z.B. bei flüssiger Demokratie möglich.
Gesamtpolitisch könnte es z.B. so aussehen, dass alles so bleibt wie bisher (Parlamentswahlen) bis auf die Tatsache, dass die Entscheidungen in den Parlamenten, nach Einreichen dieser und den Debatten dazu nicht mehr allein von den Abgeordneten getroffen werden sondern von der Basis, also dem Volk. Vielleicht so einmal pro Monat oder alle paar Monate, die meisten Entscheidungen sollten sowieso nicht überstürzt getroffen werden. Die Anzahl der Abstimmer wird natürlich schwanken, aber im worst case stimmen auch einfach nur die Abgeordneten ab, die auch bisher abgestimmt hätten, nur eben mit gleicher Stimmgewichtung wie jeder andere Mensch und völlig ohne Machtakkumulation und Scheunentoröffnung zu Lobbyismus/ Korruption.
Ich kann dem Absatz “Meinungsvielfalt” und auch dem Fazit des Artikels uneingeschränkt zustimmen und sehe die Inflation von Parteiaustritts(-drohungen) in letzter Zeit mit Sorge. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir als Partei ganz klar Sitze in Parlamenten anstreben sollten – wenn ich mich für ein konkretes Ziel kurzfristig einsetzen will, braucht es keine Partei (mit all dem Aufwand, der damit einhergeht). Deiner Argumentation zum Vollprogramm allerdings kann ich nicht zustimmen.
Ein Wähler, dem ein bestimmtes Thema wichtig ist, wird wahrscheinlich keine Partei wählen, die dazu keine Position hat; derselbe Wähler wird aber mit Sicherheit keine Partei wählen, deren Position mit der seinen nicht übereinstimmt. Ist das Thema für den Wähler eher zweitrangig, wird er eine fehlende Positionierung genausogut verdauen, wie eine Position in irgendeiner Richtung. Was wir allerdings durch das Aufstellen eines Vollprogramms verlieren, ist unsere Fokusierung – Parteien, die Netzpolitik und Bürgerrechte neben allen möglichen anderen Themen im Programm stehen haben, gibt es bereits, das nutzt aber keinem, weil nach der Wahl ja “alle Punkte verhandelbar” werden. Andererseits: die Grünen haben in ihrem Programm wahrscheinlich etwas zu Steuerpolitik stehen und die FDP sagt auch was zu Außenpolitik – aber wie viele interessiert das und werden sie deswegen gewählt bzw. nicht gewählt?
Es kommt auch ein weiterer wichtiger Punkt hinzu, der oft übersehen wird: solange wir hinter dem Artikel 38 GG (“Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verpflichtet”) stehen und uns gegen Fraktionszwang einsetzen, ist auch ein beschlossenes Vollprogramm keine Garantie dafür, dass die gewählten Abgeordneten in dessen Sinn abstimmen. Wollen wir uns von den etablierten Parteien unterscheiden und dem Wähler gegenüber ehrlich sein, müssen wir das auch im Vorfeld kommunizieren, und dadurch wird der von dir beschriebene Vorteil des Vollprogramms (Schaffung von Sicherheit beim Wähler) komplett negiert.
Grüße,
Boris
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Wer ja zum BGE sagt, der sagt auch Ja zum Einwanderungsstopp. Sonst funktioniert es nämlich nicht, und man importiert nur im Sinne “negativer Selektion” die nicht arbeitswillige Schicht fremder Staaten.
“als Partei muss sie Positionen zu allen gesellschaftlichen Fragen entwickeln. Wir treten an”
Bullshit, von vorne bis hinten.
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