Piraten bereits 1931 in Regierung

Eine der Grundideen der weltweiten Piratenparteibewegung ist ja folgende: “Das besondere an Informationen und Kultur ist, dass sie umso wertvoller werden, je mehr sie geteilt und verbreitet werden.” Man könnte denken, diese Erkenntnis sei etwas vollk0mmen neues und revolutionäres, die erst mit Existenz der neuen digitalen Medien gewonnen wurde. Ich habe den gleichen Gedanken aber schon in dem gesellschaftskritischen Roman “Regierung” von B. Traven gefunden, der bereits 1931 geschrieben wurde.

Hier der relevante Auszug:

Und er hatte diesen Wunsch, ohne zu wissen, daß erworbene oder erfahrene Kenntnisse anderen Menschen aus reiner Hilfsbereitschaft mitzuteilen den Gebenden reicher macht, als er vor der Teilung seiner Schätze war. Denn der Reichtum der Schätze des Wissens eines einzelnen Menschen wächst in dem Umfang, wie die Bildung und das Wissen aller Menschen wächst, die um ihn sind. Die Kultur der menschlichen Gesellschaft beruht nicht in dem gewaltigen Wissen einzelner Menschen, umgeben von Hunderttausenden von unwissenden und ungebildeten Menschen, sondern eine wirklich hohe Kultur bildet sich nur im steten Austausch von Ideen und Gedanken Hunderttausender von Menschen, die eine gleich hohe Grundbildung haben und sich aus diesem Grunde in ihren Ideen und Gedanken leichter gegenseitig verständlich machen können. Denn jeder einzelne Mensch, gleich welcher Rasse und Herkunft, vermag, einmal auf den Weg gebracht, Gedanken und Ideen zu entwickeln, die in ihrem Charakter durchaus ursprünglich sind und neu.

Wo die Heranbildung des Geistes und die Disziplinierung der Intelligenz ein Privileg und ein Geschäft einer Kaste ist, die der Berufs-Geistesboxer, die von ihren Schätzen nur anderen Privilegierten die Ware dosenweise oder kistenweise abgeben, da versanden die Quellen einer ständigen Neubefruchtung des menschlichen Geistes, weil die privilegierten Geistesakrobaten Ideen, die von Nichtprivilegierten kommen, ablehnen, und ablehnen müssen, weil ihr Privilegium und ihre soziale Stellung gefährdet werden.

B.Traven, Regierung, Büchergilde Gutenberg, Berlin 1932, Kapitel 11.9

Auch an anderer Stelle findet man im gleichen Buch eine Geschichte, die Piraten sehr vertraut sein dürfte. Der allwissende Erzähler des Romans berichtet hier von den Versuchen der schwedischen Zündholzindustrie, ihr existierendes Geschäftsmodell zu verteidigen, indem andere Arten des Anzündens von Zigaretten verteufelt werden. Worauf genau Traven hier Bezug nimmt, weiß ich nicht. Möglicherweise gab es Anfang des 20. Jahrhunderts tatsächlich Lobbyismus durch die schwedische Zündholzindustrie auf dem amerikanischen Kontinent. Wer genaueres weiß: Ich würde mich auf eine Aufklärung sehr freuen.

Klar ist aber: Die Schilderung des Kampfes der schwedischen Zündholzindustrie, ihr Geschäftsfeld zu verteidigen, dürfte viele Piraten (und nicht nur die) an das Gebaren unserer heutigen Content-Mafia erinnern 😉

Hier der relevante Auszug:

“Gracias!” sagte Don Gabriel und zog die Zündhölzer hervor. Wer eine Zigarette geschenkt bekommt, muß als Erwiderung ‘das Zündhölzchen liefern, um das Zündholzmonopol der Schweden nicht zu schädigen und um zu verhindern, daß die Schweden in Spanisch-Amerika Gesetze erzwingen, daß mit Gefängnis nicht unter zwei Jahren jeder bestraft wird, der etwa den Versuch machen sollte, seine Zigarette an einer bereits glimmenden anderen Zigarette anzuzünden oder gar, was böser ist, die Zigarette an einem glühenden Stöckchen, das aus dem Campfeuer gezogen wird, anzurauchen. Das eine haben die schwedischen Zündholzmonopolisten ja schon durch geschickte Propaganda erreicht, daß niemals mehr als zwei Mann an demselben Zündholz ihre Zigarette anzünden, weil der dritte Mann, der etwa dasselbe Hölzchen gebrauchen sollte, an dem schon zwei andere ihre Zigaretten angeleuchtet haben, für den Rest seines Lebens von dauerndem Unglück verfolgt wird, aus welchem Bann er sich nur dadurch befreien kann, daß er in einer lateinamerikanischen Republik eine Revolution anzettelt mit dem Zweck, an Stelle eines monopolfeindlichen Präsidenten einen monopolfreundlichen zu setzen.

B.Traven, Regierung, Büchergilde Gutenberg, Berlin 1932, Kapitel 7.3

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